Presseberichte
„Schau der 1000 Bilder“ mit 100 Künstlern des BBK (Kieler Nachrichten, 17.09.2016)
Die Arena als Kunsttempel
Von Sabine Tholund
Kiel - Wenn auf dem Parkplatz vor der Sparkassen-Arena hektische Betriebsamkeit herrscht, wenn aus aufgesperrten Kofferräumen unhandliche Gegenstände befördert und mit sichtbarer Anstrengung in die Halle geschleppt werden, dann steht die Eröffnung der „Schau der 1000 Bilder“ bevor. 100 Künstler des Bundesverbandes Bildender Künstler Schleswig-Holstein (BBK-SH) nehmen diesmal teil, darüber hinaus nutzen zwei Galerien die Plattform der Kunstmesse.
Bereits gestern Abend durfte das Publikum „Aufbau-Luft“ schnuppern. „Die Leute mögen das“, sagt Monika Rathlev, Vorsitzende des Landesverbandes. „Und sie dürfen gerne sehen, wie die Künstler um
die richtige Gestaltung ihres Standes ringen.“
Bereits zum zwölften Mal verwandelt sich die Sparkassen-Arena für die Dauer eines Wochenendes in einen quirligen Kunsttempel. 2002 auf Initiative von Bernhard Schwichtenberg aus der Taufe
gehoben, findet die „Schau der 1000 Bilder“ alle zwei Jahre statt. „Bei der Menge der Teilnehmer werden es diesmal wohl eher 5000 Bilder sein“, sinniert Rathlev, „hinzu kommen noch die
dreidimensionalen Arbeiten.“ Die Künstlerin aus Neumünster ist bisher jedes Mal dabei gewesen. Sie genießt den Kontakt zum Publikum und freut sich darauf, Kollegen (wieder) zu treffen. „Im Grunde
ist es wie ein Familientreffen, denn so groß ist die Kunstszene in Schleswig-Holstein ja nicht. Und ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wie sich der Einzelne entwickelt hat.“
Diese Ansicht teilen offenbar viele Künstler, wie sich beim Rundgang durch die Kojen-Landschaft schnell herausstellt. Die meisten Teilnehmer sind Wiederholungstäter - wie Birgit Rautenberg-Sturm.
Für die Kieler Grafikerin, die ihre Radierplatten im Meer versenkt und die Spuren des Salzwassers auf kunstvolle Weise sichtbar macht, hat sich die Teilnahme bisher immer gelohnt. „Selbst wenn
man wenig verkauft, trifft man immer interessante Leute“, so die leidenschaftliche Seglerin. Der Meinung ist auch Uta Kalthoff, die nach längerem Aufenthalt in Berlin seit einem Jahr wieder in
Kiel lebt. „Für mich ist es ein Heimspiel, ich wohne um die Ecke“, freut sich die gebürtige Heidelbergerin, die spottlustige Collagen zum Thema „Schuh“ mitgebracht hat.
Deutlich weiter ist der Weg für Carmen Mc Pherson. Nach vielen Jahren in Schleswig-Holstein lebt sie jetzt in Hanau . „Doch weil wir ein Boot hier liegen haben und daher im Sommer immer vor Ort
sind, bin ich immer wieder gern dabei“, erzählt die Grafikerin, deren Collagen aus gefundenen Dias echte Hingucker sind. Wie die gebürtige Amerikanerin haben alle Messe-Teilnehmer in diesem Jahr
etwas tiefer in die Tasche greifen müssen. Statt bisher 150 Euro mussten für die Koje 200 Euro aufgebracht werden. Monika Rathlev hat dafür eine einfache Erklärung: „Bei sechs Euro Eintritt pro
Erwachsenen ist die Kojen-Miete eine notwendige Einnahme zur Finanzierung der Schau.“
Und die ist bekanntlich zum Verkaufen da. Johannes Lorentzen hat diesbezüglich eine eigene Philosophie entwickelt: „Wenn man bestimmte Formate und Preise einhält, verkauft man gut“, so die
Erfahrung des Kieler Malers, der zum achten Mal dabei ist. „Über 500 Euro wird es eng.“ Deshalb ist der studierte Grafik-Designer auch durchaus bereit, mit sich handeln zu lassen. „Auf einer
Messe erwarten das die Leute.“
Ein echtes Messe-Greenhorn und entsprechend voller Adrenalin ist Christof Klemmt. Der Mitbegründer des Kunstraum B hat sich zusammen mit Helmut R. Klein eine Aktion ausgedacht: An ihrem Stand
können Besucher sich porträtieren lassen. „Die Porträts können für einen erschwinglichen Preis gleich mitgenommen werden.“ Für weitere Kurzweil sorgt Sinje Eggers mit einem Zeichenangebot für
Kinder, wer will kann außerdem bei einer Rallye mitmachen und im Rahmen einer Tombola attraktive Preise gewinnen.
Mit 3000 Besuchern rechnet Monika Rathlev bis Sonntagabend. Ihr Wunsch in diesem Sinne: „Wir hoffen, dass es regnet.“
Sparkassen-Arena-Kiel. Sonnabend, 17. September, 10-21 Uhr, Sonntag 10-17 Uhr. Erwachsene 6 Euro, Kinder bis 16 Jahre frei.
Farbschlachten und ewige Kreisläufe (Kieler Nachrichten, 21.12.2013)
Arbeiten von Alexandra Gneissl, Yukari Kosakai und Christof Klemmt bei Take / Maracke
Von Maren Kruse
Kiel. Eigentlich scheinen sie künstlerisch aus völlig unterschiedlichen Richtungen zu kommen, Christof Klemmt, Alexandra Gneissl und Yukari Kosakai, die Maren Welsch für die Winterausstellung bei Take ausgewählt hat. Aber als Kuratorin hat sie natürlich genaue Überlegungen angestellt, mit welchen Akteuren sie die Ausstellungsfläche bespielt. Welsch hat an das Schachspiel gedacht, bei dem die Kommunikation der einzelnen Figuren in einem vorgegebenen Beziehungsrahmen definiert ist.
Die Arbeiten der drei Künstler stünden in diesem Rahmen untereinander in Verbindung, sagt Welsch. Dame Springer Bauer lautet deshalb der Titel der Schau mit Gemälden von Christoph Klemmt, Installationen von Yukari Kosakai und inszenierten Fotografien von Alexandra Gneissl. In Kiel sind die Namen der Künstler vertraut. Klemmt ist vielen als Mitbegründer der Produzentengalerie Kunstraum B ein Begriff, Alexandra Gneissl und Yukari Kosakai, beide Muthesius-Absolventinnen, sind immer wieder in Aktionen oder Gruppenausstellungen im Land präsent.
Klemmst Leinwände erinnern in Materialität, Komposition und Textur an das Informel. Und es verwundert nicht, dass er Emil Schumacher als einen seiner künstlerischen Fixpunkte nennt. Schrundige Krater aus trocknender Ölfarbe, pastose Spuren von Schwarz, die so aussehen, als würden sie direkt aus der Tube auf den Malgrund gedrückt und der abstrakten Komposition ungefähren Halt bieten - Klemmt hat offensichtlich überhaupt keine Scheu vor überbordenden Farbschlachten. Man muss das mögen, ist aber gleichzeitig erstaunt, wie sich Alexandra Gneissls Fotografien zu diesen wuchtigen Mahlwerken verhalten. Als Performance-Künstlerin inszeniert sie im Studio Bildhintergründe, die sie mit Konfettikanonen beschießt. Auch die Modelle, die sie davor agieren lässt, werden durch das Papierbad zu seltsam flächigen Farbschemen. Auf wieder andere Weise materialisiert sich bei der jungen japanischen Bildhauerin Yukari Kosakai Farbe. Sie schickt hellrot gefärbtes Wasser durch transparente Schläuche, die sie auf schlichten Holzkonstruktionen gleichsam verwebt oder als spielerische Versuchsanordnungen durch Plexiglasbehälter pulsieren lässt. Die formal unaufgeregte Schlichtheit dieser Installationen macht ihren Reiz aus. Das universelle Prinzip des Fließens, des ewigen Kreislaufs thematisiert sie mit scheinbar leichter Hand. Ein Lob für die Ausstellungsreihe geht auch an ein Unternehmen, das sich zweimal im Jahr Künstler ins Haus holt und die Rahmenbedingungen für den Aufwand der Künstlerinnen und Künstler großzügig sicherstellt. Auch das eine Form der Künstlerförderung, die hier professionell verstanden wird.
Geist und Stoff, zu Bildern geronnen (Probsteier Herold, 24.09.2013)
"Wesensblicke" - Christof Klemmt zeigt Malerei
Lütjenburg - Mit der Ausstellung „Wesensblicke“ haben der Maler und Autor Christof Klemmt und Galerist Marc Richter am Wochenende (21. Sept.) einen gewichtigen Beitrag zum Kulturherbst in der
Region eröffnet. Darin zu sehen ist ein Querschnitt des vielfältigen bildnerischen Werks des Preetzer Künstlers. Landschaften und Porträts in ebenso eigenwilligen wie sehenswerten Maltechniken
sind das Fundament der noch bis Ende Oktober in der „Galerie 2ter Blick“ gezeigten Bilderschau.
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Organische, wie lebendig sich ausbreitende Oberflächen, Farbwülste winden sich schlangengleich über zerrissene, schrundige, aufplatzende Untergründe. Christof Klemmt geht üppig mit Farbe um, die Spuren der dickflüssigen Lacke, Öle, Harze und Farbpigmente bilden auf der Leinwand Landschaften für sich. Mit ihnen scheint Klemmt vorgeschichtliche Zeiten abzubilden, als die Elemente erst noch zueinanderfinden mussten. Wie geronnen in einem Prozess der malerischen Formfindung liegen die Materialien auf Klemmts Bildern, erstarrt im Werden hin zu Fläche und Umriss, oft genug sich erschöpfend in bloßer Andeutung. Die sich umschlingenden Strukturen versinken aus der Nähe in Chaos, mit jedem Schritt Abstand sieht der Betrachtende Klemmts Bilder klarer. Ganz anders legt er Bilder an wie etwa „Schwarzer Mond“ oder „Meereslandschaft I“. In ihnen reduziert Klemmt die Farbigkeit auf Nuancen bis hin zu Graustufen und grenzt in sich gleichmäßige Farbflächen streng grafisch gegeneinander ab.
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Seine Porträts sind allenfalls schemenhafte Andeutungen der Abgebildeten. Sie erscheinen als auf der Leinwand materialisierte Geisterbilder, die einzig der Vorstellungswelt eines Christof Klemmt
entspringen. Ungewöhnliche und eigenwillige Maltechniken behält er bei. Vielschichtig wie die Charaktere, die sich in wohl undeutlichen, aber dem Wesen umso näher kommenden Gesichtszügen zeigen,
sind die verwendeten Materialien: Klemmt bedient sich konsequent bei Lackfarben und pflanzlichen Ölen, die im Trocknungsprozess die typischen rissigen Oberflächen hinterlassen.
Die Stationen in Christof Klemmts Werdegang zeugen von kreativer Hingabe und stetem Drang zu Neuem. Der 44-jährige Maler und Autor schafft nicht nur Kunst, sondern mit den Galerien „Brunswiker
Kunstraum“ und „Kunstraum B“ in Kiel auch Platz für andere Künstler. Dazu pflegt er Kontakt mit der Kieler Muthesius Kunsthochschule, Kulturbehörden und Verbänden. Die Kieler Kunsthistorikerin
Dr. Maren Welsch spricht Christof Klemmt anlässlich der Vernissage am vergangenen Freitagabend große künstlerische Innovationskraft zu. Das werde beispielhaft an seinen Menschenbildern, mit denen
Klemmt zwar „formal und inhaltlich das klassische Porträt aufgreift“, es aber „dank der vielfältigen künstlerischen Techniken mit neuem Leben füllt.“ Der Maler Klemmt unternehme immer wieder den
Versuch, „etwas zu visualisieren, das eigentlich nicht darstellbar ist“ und damit den Spagat zwischen der realen Welt und ihrer Abbildung, mit der Klemmt die „Grenze des Darstellbaren
hinterfragt“. Klemmt schätze bei alledem die „Sensibilität der Linie“ des abstrakten Expressionismus, das „Interesse an der Materialität des Bildes“ und zunehmend den „freien, kraftvollen Umgang
mit Farbe.“
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Alles gut zu wissen. Aber erfahrbar ist der Bildkosmos des Christof Klemmt auch bloß gefühlsgetragen. Der Ausstellungsbesucher sollte sich dazu unbefangen dem öffnen, was ihm Christof Klemmt beschert. So gewinnt er die Möglichkeit, selbst den einen oder anderen Wesensblick zu erhaschen: auf den Maler, auf das Meer, auf Landschaften, auf das Zusammenspiel von Farbe und Material, auf die Menschen, vielleicht sogar auf sich selbst. Besser, als es eine Vernissagebesucherin getan hat, lässt sich die Wirkung Klemmts Bilder kaum in Worte kleiden: „Toll, diese Farben. Hier bleibe ich bis morgen früh sitzen und bin glücklich.“
Jo Kley - das Gerade findet er langweilig (Kieler Nachrichten, 16.05.2012)
Kieler stellt zusammen mit dem Maler Christof Klemmt in der Galerie von Gisella Reime aus
Ottendorf. Schibam in Ottendorf? Der Turm wirkt wie ein krakeliges Lehmziegelhochhaus aus dem "Chicago der Wüste". Obwohl der reisende Bildhauer Jo Kley den wilden Jemen noch nicht besucht hat, weiß er um die Exotik dieser Jahrhunderte alten und bis zu neun Stockwerke hohen Wohnhäuser.
Sie sind nicht so geleckt und gerade wie die in Manhattan. Auch die Turm-Skulptur des Kieler Künstlers biegt sich zu einer Seite; sie scheint aus dem Gleichgewicht zu kippen. "Ich kann nur Krumme", sagt Kley augenzwinkernd. Das Gerade findet er langweilig. Zusammen mit dem Maler Christof Klemmt präsentiert er in Gisella Reimes Galerie für aktuelle Kunst die Ausstellung "Pink Ladders".
Galerien sind mehr als Ansammlungen schöner Dinge. Sie sind auch Treffpunkte und können folgenreiche Wirkungen haben. Kley und Klemmt begegneten sich vor einem halben Jahr in Ottendorf. Sogleich waren sie sich im Denken und Arbeiten vertraut und der Wunsch nach einer gemeinsamen Ausstellung schnell geboren.
Klemmts Portraits, Landschaften und Farbfelder entstanden im Stil der informellen Sachlichkeit. Fotorealismus ist nicht seine Sache. Ihm geht es um das Wesentliche. Zwei Drittel seiner Werke in Ottendorf sind erstmals zu sehen. Das Bild "Das Wesen der Natur" wirkt wie eine Scheibe fossiler Erdgeschichte. Das Öl auf der Leinwand reicherte er mit Sonnenblumenöl und Harzen an. "Solche Bilder müssen 100 Jahre trocknen", ist er überzeugt. Er arbeitet mit rotierenden Pinseln auf einer Bohrmaschine und liebt den Perspektivenwechsel. Das "Portrait" zeigt sozusagen die Ursuppe einer Persönlichkeit. Die Farbe Gelb dominiert das Werk "Geronnenes Licht". Klemmt: "Wenn das Licht langsamer wird, dann wird es Stein."
Jo Kley liebt das harte Material in rauher, roher Form, zum Beispiel Anröchter Stein, den schon sein Lehrer Jan Koblasa bevorzugte. Die in Ottendorf vertretenen Turmskulpturen sind zum Teil Modelle für monumentale Arbeiten innerhalb des Projektes KleyCity gewesen, die bislang in 19 Ländern zu sehen sind. Neben leiterartigen Objekten mit biblischen Namen wie "Jakobstraum" sind unter seinen etwa 30 ausgestellten Skulpturen auch einige Stiere vertreten: kraftvoll und potent wirken sie, wie von der bemalten Wand einer frühgeschichtlichen Höhle entsprungen.
TM
Der Verfall geistiger Nahrung (Kieler Nachrichten, 15.02.2012)
Der Kieler Künstler Christof Klemmt zeigt neue Arbeiten im Kunstraum B
Von Sabine Tholund
Kiel. Ein schwacher Duft nach Zwiebeln und Zahnpasta weht durch die Räume des Kunstraum B. Verantwortlich für dieses ungewöhnliche olfaktorische Zusammenspiel ist Christof Klemmt. trash flowers in my brain heit siene konzeptuell angelegte Schau, die er als "komplex, aber eigentlich ganz einfach" beschreibt.
Aus aufgeschnittenen Zwiebeln und Gurken hat Klemmt eine großformatige Blume gebastelt, die mit derben Nägeln an der Wand befestigt ist - ein Hinweise dafür, wie brachial mit der Kunst als unserer geistigen Nahrung umgegangen wird. Bis zum Ende der Ausstellung wird sich die Blume verändern, da ihre Bestandteile vertrocknen und verfaulen.
"Das Wesen der Zeit ist der Kerngedanke der Schau", erklärt der Kieler Künstler, der 2003 den Kunstraum B ins Leben rief und die Galerie an wechselnden Orten bis 2010 gemeinsam mit Joachim Rohfleisch leitete.
Assoziative Prosaschnipsel zur Vergänglichkeit hat er mit Zahnpasta an die Fenster der Galerie geschrieben - "und passiert die Zeit" liest man etwa in einem Raum, der mit zwei großformatigen Gemälden komplett ausgefüllt ist. Auf den ersten Blick monochrom, offenbaren die pastos in Schichten aufgebauten Bilder bei näherem Hinsehen spannende Strukturen. Risse geben helle Untergrüßnde frei, dunkle Zusammenballungen wechseln mit lichten Inseln. So könnte der Blick ins Universum aussehen - ein Thema, das Christof Klemmt seit Jahren fasziniert. "Ich bilde etwas ab, was aus dem Nichts heraus entsteht. In einen lichtlosen Zustand bricht irgendwann die Zeit und damit das Licht ein."
Als eine Art Fortsetzung dieser Grundidee versteht er Arbeiten, die in ihrer expressiven Wildheit so ganz anders aussehen als die zeitgleich entstandenen kontemplativen Himmelslandschaften. Gestisch und bunt sind diese aufregenden, durch markante Linien grafisch akzentuierten Reliefbilder, die in Farbe und Material schier zu ersaufen scheinen. Farben und Formen explodieren und geben Konturen frei, die an schemenhafte Gesichter und Figuren erinnern. Eingebettet sind diese orgiastischen Farberuptionen in düster strukturierte malerische Rahmungen, die an die monochromen Arbeiten anknüpfen. Für Klemmt ist dieses Nebeneinander der Bildsprachen nur konsequent: "Aus dem Nichts heraus entsteht Leben."
Reizvoll im Schemenhaften (Kieler Nachrichten, im Oktober 2012)
"Schaumgebaut" im Bunker D
Von Sabine Tholund
Experimentelle Soundcollage und Exponate unter dem Titel "Schaumgebaut" im Bunker D.
Das Ungefähre macht neugierig, birgt es doch Geheimnisse, die gelüftet sein wollen. Weil letzteres in der Kunst nicht wirklich möglich ist, ist es um so spannender, den Reiz des Schemenhaften auf
sich wirken zu lassen - wie in der Ausstellung "Schaumgebaut" im Bunker D.
Eine experimentelle Soundcollage von Stephan "Partyschaum" Cay legt den weichen Klangteppich für Exponate von drei Malern, von denen zwei in Kiel bestens bekannt sind. Eine Bildergeschichte hat
Clemens Austen mitgebracht. Weiße Wesen, die in bisschen wie Astronauten aussehen, erleben hier merkwürdige Dinge. In Landschaften, auf denen weiße Punkte wie Schneeflocken tanzen, begegnen sie
Riesenschnecken, großen Insekten oder treffen ein freundliches Tier mit kugelrundem Kopf, das komische Sachen macht. Kaspar, Melchior, Balthasar nennt Austen die graugrundig sanfte
Bildserie. Hauchdünne weiße Scherenschitte hat der in Bremen lebende Muthesius-Absolvent in seine geheimnisvolle Bildwelt so integriert, dass sie wie Malerei aussehen.
Christof Klemmt, Mitbegründer des Kunstraum B, setzt sich in seinen dem Informell verwandten, reliefartigen Bildern mit der Erforschung des Möglichen auseinander. "Ich schäle das Reale ab und
bewege mich auf das Wesentliche, auf die lebende Kraft zu", erklärt der 41-jährige. Er arbeitet mit auf eine Bohrmaschine montierten Pinseln und Farbe, die durch Zusatz von Sonnenblumenöl und
Harzen extrem lansam trocknet, was den Resultaten etwas Vorläufiges gibt. Gesichter treten als vage Konturen aus der furios gemixten Ursuppe aus Farben und Linien hervor. Sperrige "Trash-Prosa",
mit Zahnpasta auf Fußboden und Fenster geschrieben, ergänzen Klemmts expressive Malerei und weisen ihn als skurrilen Sprachakrobaten aus. Weniger kompliziert ist der Zugang zu den Arbeiten von
Simon Frisch. Der promovierte Kunstwissenschaftler an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena zeigt Bilder vom Wald und von Fachwerkhäusern, wobei es um die Auseinandersetzung mit Struktur,
Material und Technik geht. Auf Holz, Wellpappe oder Papier in Aquarelltechnik oder pastos in Öl, erscheinen seine Motive als grafische Variation technischer Grundgerüste.
KUNST IST (Kieler Nachrichten, 2010)
Förderung als Herausforderung
"KUNST IST": Ausstellung im KVG-Werkhof Gaarden zeigt Erbebnisse eines Projektes mit arbeitslosen Künstlern.
Kiel - Vor der Werkhalle3 auf dem Betriebshof der KVG müssen Busse derzeit draußen bleiben. Drinnen ist Platz für Bilder und Zeichnungen, Skulpturen und Objekte. Für den steinernen Wohnwagen etwa, einer "mobilen Immobilie" in Originalgröße. Oder für die riesigen kunstvoll aus Fotopapier gefalteten Medusen, die wie Feuerquallen von der Hallendecke baumeln.
Von Sabine Tholund
KUNST IST heißt das Projekt des Jobcenters Kiel in Kooperation mit der Deutschen Angestellten Akademie (DAA/INT) und der Bürgerstiftung Kiel, das mit der gleichnamigen Ausstellung seinen Abschluss findet. Sechs Monate wurden 22 bildende Künstler mit Arbeitslosengelt II-Bezug wie Angestellte bezahlt, um zu tun, was sie gelernt haben: Kunst zu machen.
"Gerade in der verschärften gesellschaftlichen Situation wollen wir mit der Ausstellung zeigen, dass wir nicht Geld verbrennen, sondern dass Qualität entsteht.", so Ulrich Bartsch, Leiter Der DAA/INT. Professionalität, Innovation und Qualität waren die Kriterien für die Aufnahme in das Projekt, für das 22 von 60 Bewerbern ausgewählt wurden. Die Kieler Bildhauerin Zuzana Hlináková, Jury-Mitglied neben Götz Dietsche und Bernhard Schwichtenberg, hat die künstlerische Leitung übernommen. "Es gibt eine Vielfalt an Positionen", kündigt sie an, "Konzeptuelles, Skulpturen, Fotografien, Installationen und Bilder."
In der Tat kann sich das Ergebnis dieses bundesweit einzigartigen Projektes zur Künstlerförderung sehen lassen, das durch das handwerkliche Know-How von 1-Euro-Jobbern nicht unwesentlich unterstützt wurde. Wer sich in der Schleswig-Holsteinischen Künstlerszene auskennt, trifft auf viele bekannte Namen. Einen eigenen Raum im Obergeschoss bespielt Vladimir Sitnikow mit einer Wandinstallation: Etwürfe für ein Künstlerbuch zum Text von Michail Bulgakow. Katharina Kierzek wartet mit gewohnt frechen, witzigen Zeichnungen und Kommentaren im Comic-Stil auf. Eine Bildergeschichte der verstörenden Art hat Inga Petzel mitgebracht. Ihre dialogisch aufgebauten Zeichnungen erzählen von "autoritärer Antierzliehung, einem Amoklauf und wie es dazu kommen konnte". Stark vertreten ist die Fraktion der Maler, darunter Christof Klemmt, der mit seinen schemenhaften Porträts die Stilrichtung der "informellen Gegenständlichkeit" aus der Taufe hebt. Oder Detlef Schlagheck, dessen "grafische Umsetzung einer aufgelösten Spannung" zarte Spuren auf riesigen Leinwänden hinterlässt. Pfiffiges aus der konzeptuellen Ecke Präsentieren Ute Dietz und Robin Romanski. Mit hochoffiziell aussehenden Hinweisschildern weisen sie auf Kieler Plätzen Künstlerparkplätze aus und stellen damit augenzwinkernd die Frage nach Identität und Anerkennung ihrer Berufsgruppe. "Ein bisschen Spaß wollten wir bei der Sache auch haben", so Dietz. Gezeichnet sind die Schilder vom "Bundesministerium für Kunst und Indisposition".
Betreten verboten! (taz, 15.09.2010)
Gängeviertel: Seitdem das Bezirksamt Mitte zwei zentrale Gebäude gesperrt hat, ist die Atmosphäre zwischen KünstlerInnen und Bezirksamtschef Markus Schreiber angespannt
Von Klaus Irler
Positiv gestimmt ist der Künstler Christof Klemmt nach wie vor, obwohl sich die Geschichte seiner Ausstellung eher nach einem Schiffbruch anhört. Drei Monate lang hat er die Ausstellung "schaumgebaut" für die Fabrik im Gängeviertel geplant. Ein Tag vor dem Aufbau kam das Bezirksamt Mitte und untersagte die Nutzung der Fabrik. Klemmt bekam daraufhin von der Sprinkenhof AG alternativ ein Ladenlokal in der Steinstraße beim Hauptbahnhof angeboten. "Die waren total nett", sagt Klemmt, allerdings fühlt er sich in der Steinstraße, als wäre er alleine auf einer Insel. "Also schwimme ich immer wieder zurück." Nun hat Klemmt immer noch ein Kunstwerk in der Fabrik stehen.
Es handelt sich um eine "schaumgebaute Stütze". Ganz symbolträchtig, obwohl Klemmt sagt: "Ich bin nicht politisch."
Stützen spielen eine große Rolle bei der Verfügung des Bezirksamtes, die Fabrik und die Druckerei im Gängeviertel zu schließen. Die Bauprüfer bemängelten die statische Tragfähikeit der Decken, den Zustand der Rettungswege und der elektrischen Leitungen und schlossen mit der Fabrik und der Druckerei jene zwei Gebäude, die für die Künstler vor Ort große Bedeutung haben. Die Fabrik diente bislang als zentraler Ausstellungs- und Veranstaltungsort, die Druckerei als "politisches Herz", wie Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling sagt. Ohne die beiden Häuser ist die Handlungsfähigkeit der KünstlerInnen deutlich eingeschränkt. Ändern wird sich das erst wieder, wenn die Bauprüfer grünes Licht geben, und das wird um die vier Wochen dauern - je nachdem, wie schnell die Künstler ihre Anträge stellen und die bürokratischen Mühlen mahlen.
Die Zwangspause im Programm ist das eine, das andere ist die atmosphärische Verstimmung, die mit der Verfügung einhergeht. Vergangene Woche warfen die Künstler Bezirksamtschef Markus Schreiber (SPD) vor, einen "politischen Angriff, der sich bürokratisch tarnt" auf das Gängeviertel-Projekt zu unternehmen. Schreiber konterte, die Künstler wüssten "seit über einem halben Jahr, welche Anträge sie zu stellen haben, doch geschehen ist bisher nichts".
Die Künstler verweisen auf Gutachten, die längst erstellt seien und Renovierungen, die längst erledigt wären - Schreiber sagt, ihm liege nichts vor. Offensichtlich trifft eine Künstler-Kultur des unbürokratischen Anpackens auf eine Beamten-Kultur des bürokratischen Insistierens. Wobei auch aus Behördenkreisen zu hören ist, dass das Vorgehen des Bezirksamts MItte jegliches diplomatische Geschick vermissen ließ.
Schreiber sagt, das Handeln des Bezirksamts richte sich nicht gegen die Künstler, "es geht nur um die Sicherheit". Nach wie vor soll zunächst ein Zwischenstadium erreicht werden, "so dass man Ausstellungen und Diskussionsveranstaltungen machen kann". Im Oktober will die Stadt dann Klarheit haben über den Zustand des Viertels. Ende des Jahres soll das Gängeviertel dann zu einem Sanierungsgebiet erklärt werden, um Fördermittel beim Bund und der EU für die Sanierung beantragen zu können.
Gängeviertel: Künstler veräppeln Bezirksamt (Hamburger Morgenpost, 12.09.2010)
Protest gegen Behörden-Auflagen / "Außenstelle zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände" eingerichtet
Statt die harte Konfrontation zu suchen, amüsierten sich die Künstler des Gängeviertels gestern äußerst kafkaesk über das Bezirksamt Mitte. Wer am Tag des offenen Denkmals die alten Fabriken an der Caffamacherreihe besichtigen wollte, der landete stattdessen in einer "Behörden-Außenstelle zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände".
Um zum Künstler vorzudringen mussten die Gäste zunächst einmal jede Menge Antragsformulare ausfüllen. Nummern ziehen, Schutzkleidung anziehen und sich einen Feuerwehrschlauch schnappen. Wer den Behördendschungel tapfer durchlaufen hatte, der landete endlich in der Ausstellung von Christof Klemmt.
Der Grund für diese künstlerische Posse auf Behördenabläufe ist das Handeln des Bezirksamts Mitte. Es hatte den Künstlern Anfang September untersagt, die zentralen Gebäude der "Fabrik" und "Druckerei" zu nutzen. Grund ist ein Gutachten, das die Einsturzgefahr der Gebäude belegt.
"Das war völlig unangemessen und überzogen vom Bezirk Mitte", so eine Künstlerin. "Wir haben uns so viel Mühe gegeben, ordnungsgemäße Zustände herzustellen." So sei viel für den Brandschutz getan worden und es gebe ein positives Gutachten für die Gebäude.
Am Freitag hatten die Künstler sich noch die Option offengehalten, die Gebäude zu besetzen- dann wäre die Situation eskaliert, die Polizei hätte räumen müssen. "Wir haben auf die Verbote des Bezirks mit einer Kunstaktion reagiert", sagt Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling. "Es ist nicht unser Stil, wie Herr Schreiber auf Konfrontation zu gehen." (san)
Vom Geist in den profanen Dingen (Kieler Nachrichten, 2009)
Gaarden - Seine Techniken un Materialien sind verschieden, seinem groen Thema bleibt er aber treu. Geist und Materie, Zeit und Raum und die Art, wie die Menschen damit umgehen, das beschäftigt Christof Klemmt in allen seinen Arbeiten. Einblicke gewährt er von heute an in seiner neuen Ausstellung in der Galerie K 34.
Jedem Ding wohnt eine Seele inne, und jede Selle ist dinglich gebunden. So etwa lautet in verkürzter Form die Philosophie des 39-Jährigen, der zu den treibenden Kräften des Kunstraum B gehört und nun erstmals bei den Kollegen in Gaarden Präsenz zeigt. Solche Sätze mögen dem einen oder der anderen ein bisschen abgehoben daherkommen, zu interessanten Ergebnissen führen sie aber allemal.
Vom Bahnhof Preetz stammt ein Gullideckel, den Klemmt ganz dezent mit Ölfarbe bearbeitet hat und der bei genauem Hinsehen seine ganz eigene kleine Formensprache entwickelt. Gleich daneben hängen reliefartige Objekte ähnlich profanen Ursprungs. Die Styroporteile stammen von irgendeinem portugiesischen Strand und wurden mit der Stange eines Sonnenschirmständers gelöchert. Ein Vorgang, den Klemmt des alten Seefahrervolkes Lust am Harpunieren zuschreibt un der in gewisser Weise einem schnöden Gegenstand so etwas wie Geist eingehaucht hat.
Was überhaupt immer so ist, mein Christof Klemmt und lehnt sich gegen seinen Quader, der erstaunlich schwer ist und aus kompakt gepressten Architekturplänen besteht. Hinter ihm befindet sich ein schwarzes Rechteck mit wenigen fast verscheckten Interpretationshinweisen, gleich daneben ein weißes Quadrat. "Gegensätzlicher geht es nicht", sagt Klemmt - und meint damit auch den angestrebten Kontrast zwischen der schwarzen Materie und dem weißen Geist.
Was indes der Künstler mit seinen Arbeiten verbindet, muss keineswegs immer das sein, was dem Publikum dazu einfällt. Klemmts Arbeiten lassen sich jedenfalls auch einfach so betrachten und schön oder spannend oder was immer sonst finden. Gelgegenheit dazu besteht heute um 20 Uhr bei der Vernissage und dann bis zu 5. November immer donnerstags von 20 Uhr an in der Medusastraße 14. (mag)